„One Health“ als Schlüssel zu Globaler Gesundheit und Pandemieprävention
„In diesem ersten Block möchten wir gerne erfahren, an welchen politischen Stellschrauben Sie im Falle einer Regierungsbeteiligung drehen würden, um die Gesundheit von Menschen, Tieren und nicht zuletzt unserer Erde zu verbessern“ – mit diesen Worten startete Christian Griebenow, Geschäftsführer von Tierärzte ohne Grenzen, nach einer kurzen Begrüßung die Diskussionsrunde. Heike Baehrens betonte, dass die unterschiedlichen Aspekte von Tiergesundheit, Menschengesundheit und Umwelt im Sinne von „One Health“ stärker zusammengedacht werden müssten. „Aber auch in der Politik ist das sektorübergreifende Denken und die interdisziplinäre Zusammenarbeit notwendig, um die Herausforderungen lösen zu können“, ergänzte die Vorsitzende des Unterausschusses für Globale Gesundheit. Dazu wäre es ideal, wenn es in der nächsten Legislaturperiode „einen Botschafter, wenn nicht sogar einen Minister der Globalen Gesundheit mit wirklichen Handlungsfreiheiten und einem Budget“ geben würde, so Professor Ullmann, Stellvertreter von Frau Baehrens im Unterausschuss. Auch Deborah Düring, Sprecherin der GRÜNE JUGEND Hessen und Kandidatin für den Bundestag, zeigte sich überzeugt, dass die Corona-Pandemie sehr klar gemacht habe, dass es notwendig sei, Mensch und Natur nicht länger zu entkoppeln. „Wir wissen, dass wir globale Krisen eben nur global bekämpfen können. Deswegen brauchen wir einen Ansatz, der alle Akteur:innen mit ins Boot geholt und der auch sektorübergreifend arbeitet.“
Wünsche für die nächste Legislaturperiode
Zum Abschluss des ersten Blocks wurden die Politiker:innen gefragt, welches „One-Health“-Ziel sie sich für die nächste Legislaturperiode wünschen würden. Für Andrew Ullmann stand die Notwendigkeit von mehr Kohärenz und Abstimmung bei der Gesundheitsagenda innerhalb der verschiedenen Ministerien im Vordergrund. Debora Dühring hob hervor, dass ihr die Kombination und konsequente Umsetzung von Klimaschutz und Menschenrechten besonders wichtig seien.
Heike Baehrens wiederum machte deutlich, dass das Thema Globale Gesundheit ein Anker sein könne, um den globalen Klimaschutz voranzutreiben. Menschen seien bei diesem Thema unmittelbar berührt und besser „zu packen“.
Im zweiten Block der Diskussionsrunde stand die Frage im Mittelpunkt, welche Erkenntnisse die Politiker:innen aus den letzten beiden Jahren für sich und ihre Partei mitnehmen und wie sie Zoonosen und künftige Pandemien bestmöglich verhindern wollen. Co-Moderatorin Dr. Saskia Kreibich, Public-Health-Beraterin bei der DAHW, hakte zunächst bei Infektiologe Professor Ullmann nach. Auch er glaube, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis durch den Klimawandel vektorübertragene Infektionskrankheiten auch (wieder) in Europa vorkommen würden. Gelernt habe man aus der Pandemie, dass man weder national noch international vorbereitet war. Und dass man „die WHO dringend stärken“ müsse – „und zwar in Kooperation mit den anderen öffentlichen Gesundheitsdiensten der Welt.“
Dr. Joseph Chukwu, bereits seit Jahrzehnten medizinischer Berater der DAHW in Nigeria, brachte das Thema Bildung und Aufklärung ins Spiel. Er selbst habe erst 2018 im Rahmen einer Konferenz zu vernachlässigten Tropenkrankheiten (neglected tropical diseases, NTDs) erfahren, dass etwa 60 Prozent der Infektionskrankheiten des Menschen tierischer Herkunft seien. „Eine Umfrage unter rund 70 Personen unter anderem aus der Veterinär- und Humanmedizin, aus Ministerien, Universitäten und Forschungsinstituten hat gezeigt, dass Kenntnisse über ‚One Health‘ rudimentär sind. Nur etwa zehn Prozent wussten, dass wir in Nigeria hierzu seit zwei Jahren einen Nationalstrategieplan haben. Das lässt auf einen großen Aufklärungsbedarf“, berichtet Dr. Chukwu.
Hier schloss sich Heike Baehrens an. Auch sie sei der Meinung, dass das Wissen zu „One Health“ allgemein verständlich vermittelt werden müsse, und nicht nur mit einzelnen Schlagworten. „Wir müssen die Menschen in ihrem eigenen Erleben wichtig nehmen.“ Deborah Düring bemängelte das Fehlen einer themenübergreifenden Kooperation. Das Umweltthema gehöre ihr zufolge nicht nur in den Klimabereich, sondern sei auch ein außenpolitisches- sowie ein entwicklungspolitisches Thema. „One Health“ sehe sie als Ansatz zur Kommunikation zwischen dem Umwelt- und dem Gesundheitsbereich. „Die Biodiversitätskrise ist eine Krise für die gesamte Menschheit. Es geht hier nicht um das Überleben des Planeten – der überlebt. Aber wir werden nicht überleben, wenn wir so weiter machen.“
Neuausrichtung der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit
Im dritten Themenblock kamen die Teilnehmenden auf die Zukunft der Entwicklungspolitik und der Frage nach einer besseren und fruchtbaren Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen. Constanze Bönig, Referentin für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit, stellte klar: „Für die veterinärmedizinischen Akteure in der Entwicklungszusammenarbeit ist das Thema ‚One Health‘ kein Neuland. Ob Lebensmittel- oder auch Seuchenkontrolle, das ist nicht nur zum Selbstnutz für das Tier, sondern eben auch für den Menschen.“ Zusammen mit anderen Organisationen fordere ToGeV schon lange Zugang zu veterinärmedizinischer Versorgung, vor allem auch für Menschen in Ländern des Globalen Südens. Diese leben in starker Abhängigkeit zu Nutztieren und seien daher von NTDs und Zoonosen sehr stark betroffen. Durch veterinärmedizinische Versorgung oder durch Lösungen im Hygiene- und Sanitärbereich könne das leicht verhindert werden können. „Geringe Kosten bringen hier großen Nutzen“, so Bönig.
Auch für Heike Baehrens spielt die Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung eine zentrale Rolle. „Das Ziel 3 ‚Gesundheit und Wohlergehen‘ der nachhaltigen Entwicklungsziele werden wir nur erreichen, wenn wir auch die Ziele zu Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung mit gleicher Intensität verfolgen.“ Alle 17 „Sustainable Development Goals“ (SDGs) seien von grundlegender Wichtigkeit und müssen zusammengedacht und gemeinsam verfolgt werden. Dr. Chukwu sieht als eines der wichtigsten Handlungsfelder in der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit unter anderem die Entwicklung von Strategien zur nationalen Zusammenarbeit. Zudem müssen die strukturell sehr schwachen Basisversorgungssysteme gestärkt werden. „Wir freuen uns sehr, dass die deutsche Regierung den Global Fonds zur Bekämpfung von HIV, Malaria und Tuberkulose unterstützt.“ Man hoffe auf eine Fortführung bzw. Stärkung des Ko-Fundings. Deborah Düring forderte eine Struktur, „die empowert, statt Abhängigkeiten zu schaffen“. Das bedeute, man müsse konsequent koloniale Strukturen aufbrechen und auch in Deutschland anfangen, „unsere koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten“. Zudem müssten Menschen im Globalen Norden, in Deutschland und „in jeder kleinen Kommune“ endlich verstehen, „dass wir Globale Gerechtigkeit brauchen, um auch in Deutschland endlich soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung herzustellen.“
Mit gutem Beispiel voran
„Im Rahmen der OneHealthNow-Kampagne ging es uns darum, zu erkunden, ob und inwiefern die künftige Legislaturperiode ‚One Health‘ mehr Bedeutung zuschreiben wird“, resümiere Dr. Kreibich in ihrem Schlusswort. „Es ist deutlich geworden, dass alle Vertreter:innen der Politik diesen Ansatz heranziehen wollen, um den derzeitigen und künftigen Herausforderungen rund um das Thema Globale Gesundheit Herr zu werden.“ Diese würden vermutlich noch zunehmen. „Der Klimwandel schreitet voran, die Lebensräume von Wildtieren werden weiter bedroht und wir haben bei Weitem keine nachhaltige Ernährungspolitik, um nur einige Probleme zu nennen.“ Im Sinne von „one world – one health“ müsse man nicht nur für eine gute Gesundheitspolitik in Deutschland einstehen, sondern sich auch für eine verbesserte internationale Zusammenarbeit stark machen. „Es ist wichtig, gute Reformen, Aktionspläne und Strategien zu haben, aber die müssen nun auch in einen Tatenstrang umgewandelt werden“, mahnte Saskia Kreibich. „Wir sind sehr gespannt auf die politische Agenda der kommenden vier Jahre, in der ‚One Health‘ aus Sicht der Tierärzte ohne Grenzen und der DAHW national wie international ein absolutes ‚Muss‘ ist.“
Ein Mitschnitt des Polit-Talks findet sich hier.